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Wie
wenige noch immer von diesen seit mehreren hundert Millionen Jahren auf
der Erde lebenden Tieren bekannt ist, zeigt das folgende Beispiel: Die National
Geographic Society stellt jede Woche eine Frage an das Publikum im Internet,
zu der es verschiedenen Antwortmöglichkeiten gibt. Es ist eigentlich mehr
eine Abstimmung als eine Wissensfrage.
Die jüngste Frage der Woche hieß: "Wie schütze ich mich am besten vor dem
Angriff eines Weißen Hais ?". Auf diesen "Scherz" - was sollte es auch anderes
sein - gab es die entsprechenden Antworten. Rund 40 Prozent der Teilnehmer
wollten ihn harpunieren, andere bevorzugten sanftere Methoden.
Etwa 30 von hundert wollten ihr Leben dadurch schützen, dass sie dem dem
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Silberspitzenhai

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bis zu sechs Meter langen und mit hoher Geschwindigkeit
angreifenden Tierchen sanft an die Nase fassen und immerhin weitere rund
30 Prozent waren der Ansicht, dass sie in einem Haifischbecken eh nichts
zu suchen haben. Dabei geht es im richtigen Meeres-Leben längst nicht mehr
um die Frage, wie wir uns gegen einen möglichen Haiangriff wehren. Tatsächlich
hätte die Frage angesichts der aktuellen Situation eigentlich ganz anders
lauten müssen, nämlich: Wie schützt sich der Weiße Hai am besten vor uns?
Die Antwort darauf ist ganz einfach: er kann es nicht - wir müssen das für
ihn tun. Für ihn und noch für viele andere Arten aus seiner engeren und
weiteren Verwandtschaft, denn weltweit sind viele Haiarten in ihrem Überleben
bedroht.
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Allein im
Atlantik sind die Bestände einzelner Haipopulationen um bis zu 60 Prozent
zurückgegangen, wie jüngste Forschungsergebnisse der kanadischen Dalhousie
Universität zeigen. Die Forscher aus Nova Scotia veröffentlichten die Bilanz
ihrer Langzeituntersuchungen in der jüngsten Ausgabe des renommierten Wissenschaftsmagazins
"Science".
Die Wissenschaftler untersuchten die Bestandsentwicklung verschiedener Arten
in den atlantische Küstengewässern für die zurückliegenden 15 Jahre. Danach
mussten die Hammerhaie (Zygaena malleus) im Atlantik die schwersten Verluste
hinnehmen. Ihr Bestand dezimierte sich um 89 Prozent, dicht gefolgt vom
Weißen Hai (Carcharodon carcharias) mit einem Bestandsverlust um 79 Prozent.
Kiemendecken verborgen sind. Durch die
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Grauer
Riffhai |
Die Populationen von Tigerhai (Galeocerdo cuvieri)
und den küstennah lebenden Sandhai (Odontaspis taurus) sind seit 1992 um
bis zu 61 Prozent geschrumpft. Der Bestand fast aller untersuchten Haiarten
im Atlantik hat sich in den vergangenen acht bis 15 Jahren wenigstens halbiert.
Doch nicht nur der Atlantik müssen diese majestätischen Meeresbewohner um
ihr Überleben fürchten. Weltweit sind die unterschiedlichsten Haiarten durch
Raubbau, unbedachtes Handeln oder einfach Dummheit und schlichten Unverstand
in ihrer Existenz bedroht. Die direkten Gründe hierfür sind vielfältig:
Überfischung, Zerstörung der Lebensräume, Beifang oder das Hochsee-Angeln
aus falsch verstandenem "Sportsgeist" tragen zur Dezimierung der Arten bei.
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Die schweizerische Shark Foundation,
eine Organisation, die sich dem Schutz der Haie verschrieben hat, veröffentlicht
umfangreiches Zahlenmaterial über die Verluste an Haien weltweit. Demnach
werden beispielsweise entlang der US-amerikanischen Westküste einschließlich
des Golf von Mexiko jährlich etwa 2,5 Millionen Haie von "Sport"anglern
auf Hochseetouren gefangen. Zwischen 20 und 40 Prozent dieser "Trophäen"
werden getötet und über Bord geworfen.
Der Anteil am Beifang in der Langleinen-Fischerei, deren eigentliche Zielart
der Thunfisch ist, betrug 1991 weltweit allein 8,3 Millionen Haie, davon
etwa zur Hälfte Blauhaie (Galeus glaucus). Auch von diesen Tieren wurden
rund 87 Prozent einfach weggeworfen. Übermäßige Befischung der Sandbankhaie
(Carcharhinus plumbeus) ist auch die Ursache dafür, dass die Bestände dieser
Art in den letzten zehn Jahren um bis zu 90 Prozent eingebrochen sind -
hier könnte die Grenze zur Ausrottung bereits überschritten sein.
Insgesamt werden pro Jahr bis zu 700.000 Tonnen Haie gefangen und getötet.
Nur etwa 20 Kilogramm bringt ein gefangener Knorpelfisch auf die Waage.
Umgerechnet sterben also pro Jahr etwa 100 Millionen Tiere allein durch
die Fischerei.
Nach Angaben des WWF geraten zunehmend auch die gigantischen Walhaie (Rhincodon
typus) in eine bedrohliche Situation, da sie gerade in asiatischen Ländern
immer häufiger auf den Speisekarten der Restaurants zu finden sind. Eine
Bestandsüberwachung dieser harmlosen Planktonfresser ist schwierig, da sich
ihren Lebensraum über die gesamten subtropischen und tropischen Gewässer
weltweit erstreckt. Millionen von Haien unterschiedlicher Arten werden allein
wegen ihrer Rückenflossen gefangen, die dann zu der berühmten Haifischflossensuppe
verarbeitet wird. Dabei wird den noch lebenden Tieren die dreieckige Rückenfinne
abgetrennt. Der "Rest" des nun "wertlosen" Fisches geht wieder über Bord.
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Silberspitzenhai |
Doch nicht allein unter dem Druck von Fischerei,
Beifang und "sportlichem" Ehrgeiz haben die Tiere zu leiden. Weltweit werden
gerade solche Ökosysteme geschädigt und dezimiert, den die Tiere für Nahrungserwerb
und Fortpflanzung brauchen. So fungieren zum Beispiel die Mangrovenwälder
an den Küsten zahlreicher tropischer Meere als "Kinderstube" für viele küstennah
lebende Haiarten. Im Schutz dieser Flachwasserzonen bringen sie ihre Jungen
zur Welt die diesen unzugänglichen Lebensraum brauchen, um unbehelligt von
Fressfeinden heranwachsen zu können. Auch diese Mangrovengebiete werden
mehr und mehr abgeholzt, um Platz für Aquakulturanlagen zu schaffen. Mittlerweile
ist Mangrovenholz zudem ein begehrtes Ausfuhrprodukt. Auf diese Weise gingen
seit 1920 auf den Philippinen etwa 4.700 Quadratkilometer Mangrovenwald
zugrunde und Indonesien exportiert pro Jahr über 250.000 Kubikmeter Mangrovenholz
alleine nach Japan.
Haipopulationen sind besonders sensibel gegenüber hohen Dezimierungsraten.
Anders als andere Fischarten haben Knorpelfische eine sehr lange Reproduktionsrate.
Bestandsverluste können daher nur über lange Zeiträume ausgeglichen werden.
Die Fische wachsen sehr langsam, die meisten Arten brauchen bis zu 15 Jahre
Entwicklungszeit bis zur Fortpflanzungsreife. Zudem dauert die Tragezeit
mehrere Monate und sie bringen meist nur ein oder zwei Junge auf einmal
zur Welt. ImUnterschied zu anderen Fischen, die in großen Schwärmen die
Weltmeere bevölkern, sind die meisten Haie Einzelgänger und stehen als Räuber
an der Spitze der ozeanischen Nahrungskette. Ihre Stellung im System ist
daher viel sensibler, ihre Funktion im Ökosystem nicht mehr auszugleichen.
Als so genannte Top-Predatoren üben sie eine Schlüsselfunktion über die
gesamte darunter liegende Nahrungspyramide aus. Sie begrenzen die Populationen
ihrer Beutetiere auf ein angemessenes Maß. Zudem dezimieren sie kranke und
schwache Einzeltiere und tragen somit zur Gesundheit des gesamten Ökosystems
bei. Geht ihre Zahl in nennenswerter Weise zurück, können sie nicht durch
andere Arten ersetzt werden.
Haie gehören zur biologischen Klasse der Knorpelfische, lateinisch Chondrichthyes,
Ordnung Selachii. Zusammen mit den Rochen bilden sie die Gruppe der Elasmobranchier.
Zahlreiche Fossilienfunde aus Gesteinsschichten belegen das entwicklungsgschichtliche
Alter der Haie. Die Entwicklung der Knorpelfische, nahm ihren Anfang bereits
im mittleren Devon vor rund 370 Millionen Jahren. Gegen Ende des Paläozoikums
starben zahlreiche Gruppen wieder aus, die Überlebenden entfalteten sich
zu immer fortschrittlicheren Gruppen. Im Meer des unteren Jura - vor rund
200 Millionen Jahren bildete die Gruppe der sogenannten Hybodonten bereits
markante Populationen. Bis zum Ende der Kreidezeit vor rund 65 Millionen
Jahren schließlich hatten sich alle noch heuten lebenden Hai-Familien entwickelt.
Sie überlebten auch das weltweite Massensterben am Ende der Kreidezeit und
entwickelten sich in der Erdneuzeit zu ihrer heutigen Vielfalt. Berühmt
geworden sind die Überreste des gigantischen Carcharodon megalodon-Haies
aus dem Eozän (53-37 Millionen Jahre vor heute). Dieser Urahn des Weißen
Haies (Carcharodon carcharias) erreichte vermutlich eine Länge von bis zu
25 Metern. Sein Kieferbogen allein hatte einen Durchmesser von bis zu zwei
Metern und ist mit mehreren Reihen von 15 Zentimeter langen dreieckigen
Zähnen besetzt.
Auch in physiologischer Hinsicht haben Knorpelfische Besonderes zu bieten.
Nur wenige räuberische Arten können die elektrischen Felder ihrer Beutetiere
orten. Anders Haie und Rochen. Mit Hilfe ihrer so genannten Lorenzinischen
Ampullen sind sie in der Lage,die Muskelaktionsströme ihrer Beutetiere wahrzunehmen
und sich entlang elektromagnetischer Felder in Meer zu orientieren. Diese
Sinnesorgane liegen unter der Haut im Bereich des Kopfes. Sie bestehen aus
einem System von Kanälen, die mit einer Art Gelee gefüllt sind. Neuere Forschungen
konnten nachweisen, dass Haie und Rochen mit ihren Lorenzinischen Ampullenauch
äußerst geringe Temperaturunterschiede wahrnehmen können. Steigt die Umgebungstemperatur
nur um ein Zehntel Grad an, baut sich in den Kanälen eine elektrische Spannung
auf. Diese wird an die Nervenzellen weiter geleitet. Die Forscher vermuten
nun, dass die Tiere auf diese Weise Meeresgebiete erkennen können, an denen
kalte und warme Meersströmungen aufeinander treffen. Auch erfahrene Fischer
wissen, dass in solchen Meeresgebieten das Nahrungsangebot besonders groß
- und somit der Fischreichtum verlockend ist.
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